So scheiterten die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland - Gerhard Schröder im Interview

22.10.2023

 

Interview aus der Berliner Zeitung vom 21.10.2023:

(Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/gerhard-schroeder-im-exklusiv-interview-was-merkel-2015-gemacht-hat-war-politisch-falsch-li.2151196) 

,,Ich bekam 2022 eine Bitte aus der Ukraine, ob ich nicht zwischen Russland und der Ukraine vermitteln könne... Dann war die Frage: Wie kann man den Krieg beenden?

Wie?

,,Es gibt fünf Punkte:

  • Erstens: Ein Verzicht der Ukraine auf die Mitgliedschaft in der Nato. Die Ukraine kann ohnehin die Bedingungen nicht erfüllen.
  • Zweitens: Das Problem der Sprache. Das ukrainische Parlament hat die Zweisprachigkeit abgeschafft. Das muss geändert werden.
  • Drittens: Donbass bleibt Teil der Ukraine. Der Donbass braucht aber eine größere Autonomie. Ein funktionierendes Modell wäre das von Südtirol.
  • Viertens: Die Ukraine braucht außerdem Sicherheitsgarantien. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen plus Deutschland sollte diese Garantien geben.
  • Fünftens: die Krim. Wie lange ist die Krim russisch? Die Krim ist für Russland mehr als nur ein Landstrich, sondern Teil ihrer Geschichte. Man könnte den Krieg beenden, wenn nicht geopolitische Interessen im Spiel wären.

Die Einzigen, die den Krieg regeln könnten gegenüber der Ukraine, sind die Amerikaner. Bei den Friedensverhandlungen im März 2022 in Istanbul mit Rustem Umjerow haben die Ukrainer keinen Frieden vereinbart, weil sie nicht durften. Die mussten bei allem, was sie beredet haben, erst bei den Amerikanern nachfragen... Als Kompromiss für die Sicherheitsgarantien der Ukraine wurde das österreichische Modell vorgeschlagen oder das 5+1-Modell. Das fand Umjerow gut. Auch bei den anderen Punkten zeigte er Bereitschaft. Er sagte auch, dass die Ukraine keine Nato-Mitgliedschaft wolle. Er sagte auch, dass die Ukraine Russisch im Donbass wieder einführen will. Doch am Ende passierte nichts. Mein Eindruck: Es konnte nichts passieren, denn alles Weitere wurde in Washington entschieden. Das war fatal. Denn das Ergebnis wird nun sein, dass man Russland enger an China bindet, was der Westen nicht wollen sollte."

Und die Europäer?

,,Sie haben versagt. Im März 2022 hätte es ein Fenster gegeben. Die Ukrainer waren bereit, über die Krim zu reden. Das hat damals sogar die Bild-Zeitung bestätigt.
(Gerhard Schröder zeigt eine Seite aus der BILD-Zeitung mit dem Titel „Endlich Frieden in Sicht Laut der Ukraine haben die Massaker von Butscha, die die Russen verübten, zum Ende der Verhandlungen geführt.)

Bei den Gesprächen mit Umjerow am 7. und am 13. März war von Butscha noch nichts bekannt. Ich glaube, die Amerikaner haben den Kompromiss zwischen der Ukraine und Russland nicht gewollt. Die Amerikaner glauben, man kann die Russen klein halten. Nun ist es so, dass zwei Akteure, China und Russland, die eingegrenzt werden von den USA, sich zusammentun. Die Amerikaner glauben, stark genug zu sein, um sowohl die eine wie auch die andere Seite in Schach zu halten. Nach meiner bescheidenen Meinung ist das ein Irrtum. Man muss sich doch nur anschauen, wie zerrissen die amerikanische Seite nun ist. Schauen Sie sich das Chaos im Kongress an...''

 

Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/gerhard-schroeder-im-exklusiv-interview-was-merkel-2015-gemacht-hat-war-politisch-falsch-li.2151196